SABINE AMMER
GEDANKEN

Pure Vernunft darf niemals siegen! (2014)

Meine Malerei basiert auf dem Grundgedanken zweier Gegensätze: Vernunft und Leidenschaft („passion et raison“ Racine 17Jhrd.) An dieser Idee entlanghangelnd bewege ich mich stets im malerischen Konflikt zwischen Form und Inhalt, Kontrolle und Zufall oder auch......Fremd- und Selbstbestimmung. Meine Malerei spiegelt das Aufeinandertreffen dieser Pole und versucht sie zu vereinen! Manchmal dominiert die Form, manchmal der Exzess. Das Spannungsfeld zwischen formaler Definition und emotionaler Stimulation wird dabei ausgelotet.Was passiert beim Betrachten? Welche Assoziationen werden formuliert? Hier entsteht ein Spielraum für die Phantasie des Betrachters. Die individuellen Bewertungen, Definitionen und formulierten Konkretisierungen werden von mir eingefangen - im Dialog und visuell - und weiterverarbeitet in zukünftiger Malerei.

Das Zitat des Zitats des Zitats... des Zitats. ( 2013)

Mein malerischer Gedanke basiert auf der Überlegung, dass man als Künstler wie ein Trichter für sämtliche visuelle Information fungiert. Damit zitiert man ( Künstler oder Nicht-Künstler) automatisch bewusst oder unbewusst, was um einen herum passiert. Die Totalüberflutung durch Medienreize und Information zwingt uns dazu, einen dicken inneren Filter aufzubauen. Doch es gibt bestimmte kleine Synapsen im Gehirn, die uns Impulse geben, wenn wir uns an etwas erinnern. Diesen Moment des " Vage- Erahnens aber doch Nicht- Wirklich -Fassen-Könnens" interessiert mich künstlerisch. Den Moment des Innehaltens... "da war doch was...ich komm gleich drauf". Ein Bruchteil einer Sekunde, in dem unser Bewußtsein schwebt zwischen Erinnerung und Jetzt. Ich beziehe mich auf Derridas Überlegung der unendlichen Kette zwischen Signifikant und Signifikat. Für ihn ist ein Wort nicht einfach ein Wort sondern ist in sich zu differenzieren. Was in der Literaturtheorie die Unterscheidung von Signifikant
 ( =Schriftbild oder Laut) und Signifikat ( = ideelle oder referetielle Bedeutung, Inhalt) ist, versuche ich in die Malerei zu übertragen. Dabei ersetze ich Schrift und Bedeutungsebene durch formale Gefüge/Strukturen, die inhaltlich erzählerischen Elementen gegenüberstehen. Der Betrachter, der durch seine individuellen Assoziationen die zweite Ebene verlebendigt, wird stets befragt und in Folgewerken wieder malerisch "zitiert". So entsteht über die Jahre ein malerisches Gesamtwerk aus aneinandergefügten Assoziationen der Betrachter. Die Bildwirkung, die ich dabei erziele schwebt stets zwischen einer Gegenständlichkeit, in der der Betrachter vermeintlich Bekanntes (aus aktuellen Zeitungsberichten, Mediendiskursen) zu erkennen scheint und dennoch nicht dechiffrieren kann. Dies ist meine malerische Antwort auf die empfundene Hilflosigkeit gegenüber einer modernen visuellen Informationsflut.

Vom Übermaß zum Chaos (2012)

Das Ausreizen des Übermaßes, die visuelle Überforderung und das konsequente Weiterdenken bis hin zum Chaos. Der Künstler als eine Art Speichermedium SÄMTLICHER visueller, sinnlicher und inkonsistenter Information. Ich beschäftigte mich mit Überlagerungen, Gleichzeitigkeiten, Zeit, Dynamik und Definitionen. Seit 2010 experimentiere ich mit teilweise willkürlichen, teilweise impulsiven, teilweise streng kontrollierten Formüberlagerungen. Fragmente, naturrealistisch, abstrakt, expressiv werden ü̈bereinander geschichtet. Dabei lege ich den Fokus auf das Übermaß und die Inkonsitenz.

Ich versuche dabei verschiedene Stadien von Zeit und Wahrnehmung zu verschmelzen und nehme damit Bezug auf den Überfluss an Eindrücken und Stimulationen in einer multimedialen Welt. Dabei erscheint hier etwas, das "ü̈ber das in einer Gesellschaft als notwendig und - zum Teil auch - fü̈r sinnvoll erachtete Maß."(Wikipedia definiert "Luxus") hinaus geht. Ausschlaggebend für die Inspiration zu einer Arbeit können thematische Diskurse aus Medien, aber auch zutiefst persönliche Anliegen sein, die im Überlappen, Ineinander weben oder Verwischen ein neues indifferentes, ja sogar inkonsistentes Bild ergeben und manchmal einen Abstraktionsgrad erreichen, der das Zuordnen von Sinn oder Thema noch schwieriger macht. Ich lasse mich dabei nicht nur von subjektiv Erlebtem, sondern besonders auch von Fremdassoziationen lenken. Der malerische Prozess bleibt dabei stets Versuch ein so genanntes "Alles" im Bild zu manifestieren. Der Zufall (z.B. der Motivwahl) erscheint mir dabei in höchstem Maße reizvoll, dennoch ist er unmöglich. Das Bewusstsein hat während des Malprozesses viel Zeit zu intervenieren, lenkend einzugreifen oder zu bewerten. Auch der Zweifel interveniert. Der Gedanke an den potentiellen Betrachter zwingt unbewusst andere Positionen einzunehmen. Diese Wechselwirkung von Bewertung, Deutung und Assoziation gipfelt im Präsentieren der Arbeit vor Publikum und beginnt dort von vorne mit neuen Assoziationsketten und Überlagerungen. Dies ist die Verbindung von Vergangenheit und Erinnerung mit Zukunft und Vision.

Zeit – Visuelle Überforderung – Überreizung der Sehnerven (2010)

Ich stekle mich der Herausforderung malerisch ein so genanntes ALLES darzustellen. In meinen Arbeiten unternehme ich den Versuch, der Wahrnehmung von Zeit Gestalt zu geben durch Überlagerungen, Verwebungen und Durchdringungen unterschiedlichster Motive und Formen. Was ist das Notwendige? Was wird gefiltert, was selektiert? Welche Entscheidungen werden im Prozess des Malens gefällt und warum? Welche Attribute entsprechen dem inneren drängenden Impuls und welche Themen werden dadurch gestellt? Worin liegt die Herausforderung der Unmöglichkeit? Ein indifferentes Flackern von Vermutungen und Andeutungen interessiert mich in meinen Arbeiten.

Wahrnehmungsrealismus (2008)

Ich versuche in meinen Arbeiten verschiedene Stadien von Zeit zu verschmelzen, indem ich unterschiedliche Motive überlagere. Dabei arbeite ich mit Fotografiefragmenten, die Erinnerungen verbildlichen, aber gleichzeitig neue Assoziationsketten in Bewegung setzen. Der malerische Prozess bleibt dabei stets Versuch ein so genanntes "Alles" im Bild zu manifestieren. Die Motive wähle ich dabei zufällig, aber nicht beliebig. Ausschlaggebend für die Inspiration zu einer Arbeit können thematische Diskurse aus Medien, aber auch zutiefst persönliche Anliegen sein, die im Überlappen, Ineinander weben oder Verwischen ein neues und vielleicht indifferenteres Bild ergeben. Das subjektive Betrachten des Objekts Malerei interessiert mich dabei als Prozess. Eine Wechselwirkung von Bewertung, Deutung und Assoziation inspiriert im besten Fall zu der nächsten Arbeit.

In der Fotografie haben Pioniere wie beispielsweise Edweard Muybridge Bewegungsabläufe in Bildern festgehalten, die für die menschliche Wahrnehmung zu schnell sind. Diese Aneinanderreihung von abgebildeten Einzelmomenten ist der Versuch Zeit darzustellen, indem Bewegung dokumentiert wird. Ebenso ist die fotografische Unschärfe ein Interpretationsansatz das Voranschreiten der Zeit darzustellen. Der Anspruch auf Wahrhaftigkeit dieser Darstellungsversuche ist aber durchaus fraglich. Unsere Wahrnehmung verläuft stets selektiv. Das menschliche Gehirn entscheidet in Bruchteilen von Sekunden, welche Eindrücke ins Bewusstsein vordringen, welche nicht. Bewegung ist dabei ein visuelles Phänomen, das nur im Moment des Geschehens in seiner Ästhetik erfasst wird. Gleichzeitig sind wir aber evolutionsbedingt darauf trainiert, auf wahrgenommene Bewegung sofort zu reagieren. Unser Gehirn verarbeitete diese visuellen Informationen als Beute oder Gefahr. Heutzutage wirken diese Signale immer noch so, dass sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

Für mich ist der Moment des Übergangs kuüstlerisch interessant. Der Augenblick, in dem Nicht- Wahrgenommenes - am Rande des Geschehens - ins Bewusstsein tritt. Der Schemen im Augenwinkel erlangt Bedeutung, Wert und Realität.

Darstellungen von Bewegung sind immer auch Versuche, eine Zeitspanne im Gegensatz zu einem Zeitmoment einzufangen. die Fortbewegung wird als Code für das Fortschreiten der Zeit benutzt. Lázló Beke hält fest, dass ein "Eindruck der Bewegung [im Bild]die Verarbeitungstätigkeit des Bewusstseins voraussetzt". Was wir als wahre Darstellung bestimmter eigentlich kaum wahrnehmbarer Phänomene deuten, ist also eigentlich nichts anderes als eine Wahrscheinlichkeit, die auf Eventualitäten basiert. Ein Grund hierfür ist sicherlich die Tatsache, dass ein Fotogerät oder Filmkamera exakter funktionieren als "die Augen und das die Augen genauer funktionieren als das Bewusstsein". Diese "defekte Kette" kann wiederum nur durch künstlerische Darstellungen und Interpretationen geschlossen werden. Genau dieser Freiraum von Möglichkeiten, Verknüpfungen durch künstlerische Medien herzustellen, ist mein künstlerischer Antrieb.

Beim langwierigen Prozess des Malens - im Gegensatz zum Fotografieren - erweitert sich die Interpretation von Wahrnehmung noch um ein Vielfaches durch die Komponente der Subjektivität. Das Bewusstsein hat einfach viel mehr Zeit zu intervenieren, lenkend einzugreifen oder zu bewerten.

Vergangenheit/ Erinnerung - Zukunft/ Vision manifestieren sich sowohl im Prozess des Malens als auch beim Betrachten des fertigen Bildes.

Sabine Ammer